Sehnsucht


 

Das Fischermädchen.

 

Steht auf sand’gem Dünenrücken

     Eine Fischerhütt’ am Strand;

Abendrot und Netze schmücken

     Wunderlich die Giebelwand.

 

Drinnen spinnt und schnurrt das Rädchen,

     Blass der Mond in’s Fenster scheint,

Still am Herd das Fischermädchen

     Denkt des letzten Sturm und – weint.

 

Und es klagen ihre Tränen:

     „Weit der Himmel, tief die See,

Doch noch weiter geht mein Sehnen,

Und noch tiefer ist mein Weh.

 

Theodor Fontane

 

 

Gebet eines Kindes

 

Wann endlich wird der müden Welt

Die heißersehnte Ruh’ beschieden,

Die über uns am Himmelszelt

Beseelt der Sterne ew’gen Frieden?

 

Glücksel’ger Tag, wenn einst hienieden

Das wüste Toben eingestellt,

Sich liebend in die Arme fällt,

Was sich von Anbeginn gemieden!

 

Du heil’ge Nacht, aus Kampfgebraus

Flieh’ ich mit jammernder Gebärde

Zu dir, dass uns geholfen werde.

 

Gieß deinen milden Segen aus

Und sieh, es würde dieses Haus

Zum schönsten Paradies der Erde!

 

Frank Wedekind 1905